In den letzten 15 Jahre haben viele Hersteller aus verschiedenen Sparten für den Messestandort Deutschland weitsichtige Entscheidungen getroffen. Aktuell scheint jedoch einigen Branchen-Akteuren diese Fähigkeit abhanden zu kommen. Ein Kommentar von Hans Wienands, ehemaliger Top-Manager der CE und Home Appliances.
Weitsichtige Entscheider in Deutschland und Asien hatten sich im Jahr 2005, zwei bzw. drei Jahre bevor die ersten Smartphones und SMART-TVs auf den Markt kamen, entschieden, die IFA ab 2006 jährlich zu veranstalten. Der Veranstalter gfu und das IFA-Team der Messe Berlin gaben, auch gegen große Widerstände der lokalen Vertriebsmanager, den Startschuss für ein Format, das Innovations-und Wirtschaftskraft der Consumer Electronics-Branche eine perfekte Bühne bot. Seit diesem Zeitpunkt ist die Veranstaltung in Berlin zur stärksten Leistungsschau der Elektronikindustrie, mit Ablegern in China und USA, geworden. Als Plattform des Austauschs zwischen Handel und Anbietern von Hardware und Inhalten, als Leistungsschau eines vernetzten Kosmos mit einer enormen Medienwirkung für die Konsumenten weltweit, hat sich die IFA am attraktiven Standort Berlin in 15 Jahren zur globalen Leitmesse von Consumer-und Home Electronics entwickelt.
Interessiertes Weltpublikum
Die in Deutschland, im technischen Bereich ja durchaus innovative, Hausgeräte-Industrie hatte bereits ein seit 1974 etabliertes internationales Messeformat, die Domotechnica in Köln, und das Nachfolgeformat HomeTec zu Grabe getragen als sich die Chance ergab, ab 2008 ihre zunehmend vernetzbaren Produkte auf der IFA zu präsentieren. Mit der Teilnahme rückte so die eher als langweilig angesehen "Weiße Ware" in den Fokus der Heimvernetzung und präsentierte sich einem interessierten Weltpublikum.
Somit bot die IFA in den vergangen zwölf Jahren, stets ausgebucht, in Berlin eine einzigartige Leistungsschau der Branche – nicht nur der asiatischen, sondern insbesondere auch der heimischen Hersteller, die hier ihre weltweiten Kunden und Konsumenten begeistert konnten.
Die Erweiterung durch den E-Mobility Bereich SHIFT Mobility und die in 2021 geplante Integration der BERLIN PHOTOWEEK sind weitere Belege für die globale Attraktivität des Formats IFA.
Deutscher Hersteller sagt ab
Die Entscheidung eines führenden deutschen Herstellers von Hausgeräten, kurz nach der öffentlichen Zusage die Beteiligung an der IFA 2021 wieder abzusagen, ist daher nur schwer nachvollziehbar, zumal der prognostizierte reflexartige Nachzug anderer Anbieter der deutsche Hausgeräte-Branche eingetreten ist.
Wegen eher kurzfristigen, wirtschaftlichen Überlegungen ein global etabliertes Format in Deutschland zu gefährden wäre fahrlässig und ist nicht zu vermuten. Das Pandemie-geschehen gibt ebenfalls keinen stichhaltigen Anlass. Die zu erwartende Lage ist für September 2021 nicht anders als für Januar 2022, ein Zeitpunkt, an dem die CES in Las Vegas stattfindet und für den die Buchungen der deutschen Handelsmanager bereits eintrudeln.
Digitalisierung verschlafen?
Es bleibt nur die Vermutung, dass der Veranstalter (die gfu mit den Gesellschaftern aus CE/HE-Industrie) die dringend notwendige und zeitgemäße digitale Erweiterung der IFA 2021 in ein teil-hybrides Format versäumt hat und sich scheut, die Herausforderung jetzt noch kurzfristig zu stemmen.